Schon lange beSOnders
Die Geschichte der siebentägigen Woche mit einem Ruhetag beginnt im Judentum: »Sechs Tage sollst du deine Arbeit tun; aber am siebenten Tag sollst du ruhen ...« (1. Mose 23,12). Für die Juden und auch für die ersten Christinnen und Christen war der Sabbat als siebter Tag der wöchentliche Ruhetag. Doch schon im zweiten Jahrhundert trafen sie sich zusätzlich am ersten Tag der Woche – entweder am Samstagabend nach Sonnenuntergang oder in den frühen Morgenstunden des Sonntags, da dieser Tag in den Evangelien als Auferstehungstag Jesu gilt um Gottesdienst zu feiern. Der Sonntag war da noch ein Arbeitstag.
Erst mit dem römischen Kaiser Konstantin wurde der Sonntag zu einem staatlich garantierten Feiertag. Am 3. März 321 verfügt er, dass am Tag der Sonne alle Richter, ebenso das Volk in den Städten sowie Künstler und Handwerker ruhen sollen. Seitdem ist der Sonntag sowohl Ruhetag als auch der Tag der gottesdienstlichen Feier.
Die Sonntagsgeschichte
Von Andrea Seeger, Redakteurin Evangelische Sonntags-Zeitung
Am Anfang müssen die Menschen an einem Tag ruhen, um Böses zu vermeiden
»Sechs Tage sollst du deine Arbeit tun; aber am siebenten Tag sollst du ruhen ...« (1. Mose 23,12). So steht es im Alten Testament, in der jüdischen Thora. Haben der jüdische Ruhetag Sabbat und der christliche Sonntag miteinander zu tun? Und wenn ja, was?
Zuerst war der Sabbat da. Der jüdische Kalender gründete auf der Zahl sieben und ihrer Vervielfachung. Die grundlegende Einheit war die Woche, die am siebten Tag oder Sabbat endete. Nicht nur bei den Hebräern hatte die Zahl sieben eine besondere Bedeutung. Sie galt in der gesamten Region zwischen Kanaan und Mesopotamien als böse. Am siebten Tag unterließen die Menschen deshalb alles, was zu Schäden oder Unfällen hätte führen können, vor allem jegliche Art von Arbeit. Unter den alten Völkern des Zweistromlandes war der siebte Tag also ein Ruhetag – aber eben nicht aus religiösen Gründen. Sie wollten dem Bösen möglichst wenig Angriffsfläche bieten.
Das Volk Israel übernahm das Kalendersystem der Völker ringsherum, passte es seinen Glaubensvorstellungen an. Der Unglückstag verwandelte sich in einen Tag der Freude. Denn er fußte auf Gottes Gebot, diesen Tag zu heiligen. Juden trafen sich am Sabbat, um die Schriften zu lesen, zu studieren, ihren Gott anzubeten, fröhlich zu sein.
Christen gehen erst in Synagoge, danach brechen sie das Brot
Die frühen Christen nahmen an den jüdischen Riten teil. Petrus und Johannes gingen in Jerusalem am Sabbat um 15 Uhr in den Tempel, um ihre Gebete zu verrichten (Apostelgeschichte 3,1). Auch der Apostel Paulus begab sich auf seinen Reisen samstags zum Gebet in die Synagoge. Aber die Christen hatten auch ihre eigenen Versammlungen, um das Brot zu brechen (Apostelgeschichte 2,42.46). Danach trafen sie sich in den frühen Tagen des Christentums täglich. In der jüdischen Tradition zählten die Tage von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang, die Römer zählten von Mitternacht bis Mitternacht. Wahrscheinlich ist, dass die frühen Christen am Samstagmorgen erst zum Sabbatgebet in die Synagoge gingen, um am Abend desselben Tages, an dem nach ihrer Zählung der nächste Tag begann, mit ihren christlichen Freunden das Brot zu brechen.
Doch schon im zweiten Jahrhundert trafen sich immer mehr Christen zusätzlich am ersten Tag der Woche – entweder am Samstagabend nach Sonnenuntergang oder in den frühen Morgenstunden des Sonntags, bevor sie sich ihrem Tagwerk widmeten. Der Tag der Sonne wird langsam zum Tag des Herrn. Weil die Auferstehung nach den Evangelien am dritten Tag nach der Kreuzigung Christi erfolgte, das heißt nach dem Sabbat, gedachten die Heidenchristen ihrer als Tag des Herrn.
Diese Bezeichnung findet sich heute noch in vielen romanischen Sprachen als Ausdruck für den Sonntag: Das französische Dimanche, das italienische Domenica und das spanische Domingo zum Beispiel leiten sich von Dies dominicus beziehungsweise Dies dominica ab – Tag des Herrn. In den ersten Jahrhunderten ersetzte der Sonntag nicht den Sabbat, sondern er ergänzte ihn.
Immer mehr Heidenchristen, also Griechen, Römer und Menschen aus anderen Völkern statt Judenchristen bildeten den Kern der Kirche. Diejenigen Christen, die den Sabbat heiligen wollten, gerieten mehr und mehr in die Kritik. Zu Beginn des vierten Jahrhundert dann eine bahnbrechende Umwälzung: Das Christentum wurde die vom Kaiser privilegierte Religion – neben dem Judentum. Der Sonntag ein Tag der Ruhe. Am 3. März 321 verfügt der römische Kaiser Konstantin, dass am Tag der Sonne alle Richter, ebenso das Volk in den Städten sowie Künstler und Handwerker ruhen sollen. Das war eine Reverenz an den Sonnengott Sol Invictus und kein Zugeständnis an die Christen. Sei’s drum: Die Christen profitierten davon.
Je kapitalistischer und globaler, desto stärker gefährdet der Sonntag
Im Laufe des Mittelalters wurden die kirchlichen Gebote zur Einhaltung des Sonntags immer strikter. Der Sonntagsfrevel – also die Sonntagsarbeit – gefährde das Seelenheil, drohten die Kirchenführer. Für Luther war es eher nebensächlich, dass der Ruhetag der Sonntag war. Ihm kam es darauf an, dass alle gemeinsam Gottesdienst feiern können. »Aber weil es der Haufe nicht einhalten kann, muss man ja zum wenigsten einen Tag in der Woche dazu aussondern. Weil aber von alters her der Sonntag dazu bestellet ist, soll man’s auch dabei bleiben lassen.« (Großer Katechismus 1529) Der heutige Schutz der Sonn- und Feiertage geht zurück auf die Weimarer Verfassung. Die Richter verfügten 1919 mit dem Artikel 139: »Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.« Nach dem Zweiten Weltkrieg übernehmen die Gründerväter und -mütter der Bundesrepublik Deutschland 1949 diesen Artikel, nun mit der Nummer 140, ins Grundgesetz. Die Verfassungen der Bundesländer schützen den Sonntag – oft mit derselben Begründung. Sie stellen rechtlich sicher, dass nur solche Arbeiten erlaubt sind, die die Menschen nicht an anderen Tagen erledigen können. Oder aber es handelt sich um Tätigkeiten, die dazu dienen, dass der Sonntag als Sonntag erlebbar wird. Je kapitalistischer, je globaler die Wirtschaft ausgerichtet ist, desto mehr ist der Sonntag als Ruhetag, als Tag der Besinnung und Einkehr gefährdet. Die Säkularisierung schreitet voran, das ist nicht zu leugnen. Dadurch steigert sich die Bedeutung des Sonntags innerhalb der Kirche. Die Erinnerung daran, dass Gott alles geschaffen hat, eine neue Schöpfung bringt, wird für diejenigen, die glauben, einen höheren Stellenwert bekommen.
Als Quelle liegt im Wesentlichen das sehr empfehlenswerte Buch des Kirchenhistorikers Justo L. González zugrunde: »Eine kurze Geschichte des Sonntags«, 242 Seiten, Claudius Verlag München 2017, 20 Euro.
Die Sonntagsruhe ist seit Jahrhunderten umstritten
Von Kurt-Helmuth Eimuth, Redakteur Evangelisches Frankfurt
Dieses Jahr gibt es in Frankfurt keine verkaufsoffenen Sonntage. Gewerkschaften und die katholische Arbeitnehmerbewegung haben gegen entsprechende Pläne erfolgreich geklagt.
Der Einzelhandel ist gebeutelt. Die Konkurrenz aus dem Netz ist groß, dort kann man rund um die Uhr nach Lust und Laune Waren bestellen. Es wird immer schwerer, Kundschaft in die Geschäfte zu locken, wenn die nicht grade mitten auf der Zeil liegen. Und sonntags, wenn die ganze Familie mal Zeit fürs gemeinsame Shoppen hätte, darf man nicht öffnen.
Wir danken 'Evangelisches Frankfurt' für die Veröffentlichung des Artikels
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